Predigt zur "Zeit" (16. Sonntag i. J., Lesejahr B) im Monat des kostbaren Blutes Christi: Juli
(zuerst in der Stiftskirche und Heldentorkrypta in Wien gehalten)

Themen: Zeit für Gott, Zeit für Stille und Gebet, Zeit für die Liturgie

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(Padre Alex)


Liebe Andächtige in Christus, dem Guten Hirten!

"Als Jesus ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange." (Mk 6,34) "Sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen." (Mk 6,31) Jesus, der immer wieder vom wahren Kindsein vor Gott spricht, der sich als einziger Sohn von Ewigkeit her in einer religionsgeschichtlich einmaligen Gewißheit und Reinheit als Kind des himmlischen Vaters erfährt, er weiß um die Orientierungslosigkeit der nicht geborgenen und geführten Schafe. In der Erfahrung Jesu ist der himmlische Vater gegenwärtig als der gütige, freudig und mit väterlichem Entzücken für ihn sorgende Gott. Da bleibt kein Raum für Distanz, für Zweifel oder Unmut; vielmehr hat der Vater immer schon alle Wünsche einkalkuliert und ist willens, sie im rechten Augenblick zu erfüllen. Wie zeigt sich diese göttlich-vorbildhafte Haltung Jesu in den Evangelien? Vor allem in seiner Geduld, in seiner Fähigkeit zum Schweigen und zur stillen Anbetung, in seiner überragenden Autorität und in seinem Eifer für das Haus des Vaters.

Bleiben wir kurz bei einem kleinen Ausschnitt der Geduld Jesu. Bei Jesus hat man den Eindruck, daß er keine eigene Zeit hatte. "Und er lehrte sie lange." Manchmal nahmen die Menschen Jesus so sehr in Anspruch, daß er nicht einmal Zeit zum Essen fand, wie uns das heutige Evangelium berichtet. Seine Zeit gehörte nicht ihm selbst. Das Bedeutsame ist dabei: Jesus war nie gespannt; er fühlte sich nie bedrängt; er war zwar in seiner Zeit völlig in Anspruch genommen, wurde aber nie ungeduldig; er war nie 'geschäftig' und blieb trotz allem ständig in sich gesammelt. Jesus zählte eben nicht die Augenblicke, die ihm verlorengingen. - Und wir? - Sind wir nicht manchmal geneigt, die Augenblicke und Minuten zu beklagen, die wir zu lange in der Kirche verbringen mußten. Die westliche Zeit-ist-Geld-Mentalität maßt sich sogar an, am Sonntag eine hl. Messe in ihrer Dauer fix eingrenzen zu wollen. Während es vielen also leicht fällt, bei einem netten Gespräch mit Bekannten oder sehr guten Freunden oder auch in der Familie ein bis zwei Stunden länger sitzen zu bleiben, obwohl der ganze Tagesplan dadurch vielleicht durcheinander gerät, während wir also geneigt sind, die bequemen Stunden - vielleicht sogar vor dem Fernseher - nicht aufhören zu lassen, fällt uns jede Minute mehr heiliges Schweigen und stille Anbetung bei der heiligsten Handlung auf Erden, beim wieder vergegenwärtigten Opfer Christi in der hl. Messe, schwer, so schwer, daß mancher meint, wegen einer halben Stunde unmenschlich überfordert zu sein, die er mehr vor dem lebendigen Christus verbringt, vor dem Erlöser, der ihn durch sein kostbares Blut erkauft hat. Wie glaubwürdig sind solche Klagen? Jedem vernünftig denkenden Menschen leuchtet ein: Wer für hunderte weniger wichtige Tätigkeiten fast unbegrenzt Zeit hat - und alle Tätigkeiten sind in ihrer Wichtigkeit unterhalb der Liturgie anzusiedeln, die mit Gott Gemeinschaft schenkt - wer also da und dort trödelt, wird am Sonntag bei der hl. Messe nicht die Stoppuhr bei sich tragen, sondern ein opferbereites Herz mitbringen, eine heilige Geduld nach dem Vorbild Jesu Christi. Welches Zeugnis legen wir vor anderen Menschen ab, wenn uns angeblich schon eine Viertelstunde mehr in der Kirche den ganzen Tagesablauf durcheinanderbringt? Mehr als ein müdes Lächeln werden solche Äußerungen nicht erreichen. Ist uns denn der Erlösungspreis unseres Heiles, das kostbare Blut Christi, so wenig wert, daß wir sogar schon hier in die westliche Zählmentalität hineinfallen? Haben wir vielleicht noch immer nicht begriffen, welche Liebesintensität und konkrete Fürsorge für den sündigen Menschen am Kreuz Tat geworden ist. Müßten wir nicht doch aus dem Alltag etwas länger herausgeholt werden hinein in die heiligste und wesentlichste Handlung dieser Weltzeit. Sind wir es dem dreifaltigen Gott, dem Vater, der uns erschaffen, dem Sohn, der uns erlöst, dem Heiligen Geist, der uns heiligt und verbindet, sind wir es dem einen göttlichen Wesen nicht schuldig, Zeit zu haben - denn wer schenkt uns die Zeit, wenn nicht Gott? Wir müssen also lernen, Zeit zu haben für Gott. "Zeit für Gott" ist ein tiefreligiöses Motto, "Zeit für Gott" ist der Beginn der Religion. Fassen wir die heutigen Worte Jesu persönlich auf, zu jedem von uns spricht er: "Komm mit, christliche Seele, an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruhe ein wenig aus. Ich bin der Hirte deiner Seele, laß dich laben mit der Nahrung des heiligen Glaubens, opfere dich ganz, nicht nur begrenzt. Ich allein bin dein Friede, sei also dankbar und glücklich, wenn du länger in meinem Haus wohnen darfst, sei glücklich über jede Minute länger vor meinem Angesicht." - Aber wie schnell leeren sich die Kirchen nach der vollzogenen Opferhandlung, oft zu rasch. Nach der hl. Kommunion ist es höchst angemessen, dem real-gegenwärtigen Christus eine viertelstündige anbetende Danksagung zu schenken.

Und so wollen wir im Ferienmonat Juli mehr daran denken, daß wir mit der hl. Taufe hingetreten sind zum Mittler des Neuen Bundes, zum kostbaren Blute der Besprengung, das lauter ruft als das Blut Abels. Das verklärte, mit der Gottheit Jesu vereinte Blut verdient unsere innigste Verehrung und Anbetung, wie Papst Johannes XXIII. mit der von ihm approbierten Litanei vom kostbaren Blut Jesu Christi und einem eigenen Schreiben (Inde a primis, 30. Juni 1960, AAS 52 [1960] 545-550) besonders hervorheben wollte. Schenken wir Gott also in den Ferienmonaten mehr Zeit. DEO TEMPUS, ZEIT FÜR GOTT sei von nun an unser Motto. AMEN.


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